Was ist schon die Wahrheit, wenn es auch schnell gehen kann? – Kritik und Ideen für eine StPO Reform


Das Strafrecht ist das schärfste Schwert des Rechtsstaats. Gerade weil wir den
alleinigen Strafanspruch in die Hände des Staates legen, muss die Gesellschaft sich
sicher sein könne, dass dort alles gerecht abläuft. In den letzten Jahren wurden
viele Schritte unternommen, Strafverfahren zu Beschleunigen. Der Wunsch auf
Beschleunigung darf dabei jedoch nicht zu Lasten der Tatsachenaufklärung gehen und
einseitig die Beschuldigtenrechte einschränken. 

  1. Justiz angemessen Ausstatten

 Für zügige und gleichzeitig gute und ausgewogene Ermittlungen und Strafprozesse
brauchen wir Staatsanwälte und Richter, die die notwendige Zeit haben, sich auf die
Verfahren angemessen vorzubereiten. Zurzeit fehlen deutschlandweit jedoch etwa 2000
Richter und Staatsanwälte. Das muss sich schnellstmöglich ändern. Daher fordern die
JuLis Bayern den Pakt für den Rechtsstaat zügig umzusetzen und auch die Landesmittel  

 für die Justiz zu erhöhen. Weiterhin sehen wir die verhältnismäßig geringe Bezahlung
von Richtern und Staatsanwälten kritisch – insbesondere aufgrund der hohen
Arbeitslast. Eine Erhöhung ist hier dringend geboten. Diese fordern wir in
angemessenem Rahmen. 

  1. Schon wieder eine StPO Reform?

 Bereits im Jahr 2017 gab es eine StPO Reform, die darauf abzielte, die Strafverfahren
zu beschleunigen. Jetzt im Jahr 2019 möchte die GroKo die nächste StPO Reform auf den
Weg bringen. Den Referentenentwurf sehen wir sehr kritisch. Notwendig wären
empirische Erkenntnisse zu den erst kürzlich erfolgten Änderungen der StPO, ehe
weiterer Reformbedarf festgestellt wird. Empirische Erkenntnisse fehlen aber noch
völlig. Im Einzelnen sehen die JuLis Bayern in den Planungen skeptisch: 

  •  Die geplanten Eingriffe in das Befangenheitsrecht und das Beweisantragsrecht.
    Sie haben keinen Mehrwert für die Praxis und schaffen eher zusätzlichen
    Konfliktstoff für die Hauptverhandlung. 
  •  Eine Erweiterung der DNA-Analysemethoden kommt nur für die Altersbestimmung in
    Betracht, nicht aber für sonstige Merkmale wie Haut-, Haar und Augenfarbe. Dies
    wäre der Schritt ins racial profiling. 
  •  Für eine Ausweitung von Bild-Ton-Aufzeichnungen von Zeugenvernehmungen im
    Ermittlungsverfahren und deren Transfer in die Hauptverhandlung besteht kein
    Anlass. 
  •  Die Aufnahme des Wohnungseinbruchsdiebstahls in den Katalog des § 100 a Abs. 2
    StPO lehnen wir strikt ab! Viel mehr müsste der § 100a überarbeitet werden und
    wieder auf schwere Straftaten beschränkt werden. 

 Die JuLis Bayern begrüßen: 

  •  Die vorgesehene Bündelung der Nebenklage, wenn sie auf Ausnahmefälle beschränkt
    wird und wenn möglichen Interessenkonflikten hinreichend Rechnung getragen wird 
  •  Die Einführung von Opferanwälten für alle Opfer von Sexualdelikten. 
  1. Protokollierungspflichten auch vor LG und OLG!

 Die LGs und OLGs sind jeweils die letzte (und zum Teil einzige) Tatsacheninstanz. Die
Revision überprüft dann nur noch Rechtsfehler. Die Feststellungen zu den Tatsachen im
Urteil sind dann bindend. Gerade in diesem Lichte verwundert es, dass gem. § 273 Abs.
2 S. 1 StPO Zeugenaussagen am AG auch dem Inhalt nach protokolliert werden sollen,
aber am LG und OLG gerade nicht. Dies ist schnellstmöglich zu ändern und die
Protokollierungspflichten auch auf das LG und OLG auszudehnen. Gerade durch
günstigere neuere Technik, wäre auch die Videoaufzeichnung von Strafprozessen
sinnvoll. Dies würde die gerichtlichen Feststellungen nachvollziehbar machen. 

  1. Unterschiedliche Richter für Zwischen- und Hauptverfahren

 Das Zwischenverfahren dient dazu, neben der Staatsanwaltschaft noch einen
unabhängigen Richter prüfen zu lassen, ob der Tatverdacht hinreichend ist, also eine
Verurteilung nach Stand der Ermittlungen wahrscheinlicher ist als eine Nicht-
Verurteilung. Dabei hat er zu diesem Zeitpunkt allein die Akten der
Staatsanwaltschaft und die Anklage. Dies kann daher im Hauptverfahren zu einer
gewissen Voreingenommenheit führen. Daher setzen sich die JuLis Bayern dafür ein, für
Zwischen- und Hauptverfahren unterschiedliche Richter einzusetzen. Möglichen
Mehrbedarf an Personal soll möglichst zeitnah eingestellt werden. 

  1. Widerspruchslösung

 Wir sehen die immer weitere Ausdehnung der Widerspruchslösung durch den BGH kritisch.
Grundsätzlich muss das Gericht selbst für die Einhaltung der Regeln der
Beweiserhebung und -verwertung sorgen. Das ein Verteidiger für seinen Mandaten dies
auch kontrolliert ist selbstverständlich. Jedoch sollte die Einhaltung nicht alleine
von seiner Kontrolle und Rüge abhängig sein. Daher setzen wir uns dafür ein, die
Widerspruchslösung einzuschränken und solche Verstöße in einer Revision rügen zu
können. 

  1. Verjährung bei langen Prozessen

 Gerade große Fälle, die einen langen Ermittlungs- und Prozessverlauf haben, stehen
häufig im Lichte der Öffentlichkeit. Gerade hier käme die general-präventive Wirkung
von Strafe besonders zur Geltung. Daher kann es nicht sein, dass gerade diese
Prozesse durch eine drohende Verjährung während des Prozesses bedroht werden – dies
ist aber z.B. im Verfahren rund um die Love-Parade geschehen. Daher möchten wir die
Verjährung eines Verbrechens ab dem 10. Verhandlungstag bis zum Abschluss des
Strafverfahrens hemmen. Dies betrifft also nur große und lange Prozesse, bei dem auch
nach der Verjährung während des Prozesses ein echter (Rechts-)frieden ohne Abschluss
des Strafverfahrens nicht zu erwarten ist. 


Gültigkeit: 5 Jahre


Antragssteller: LAK Innen und Recht