Klare Regeln für V-Leute und verdeckte Ermittler

Wir Jungen Liberalen Bayern setzen uns seit jeher entschlossen für unseren Rechtsstaat ein. Unverhältnismäßige Überwachungsmaßnahmen lehnen wir ab, gleichzeitig muss geltendes Recht auch durchgesetzt werden können. Wir sehen im Moment große Probleme, was die Rechtslage zu Einsätzen von V-Leuten und verdeckten Ermittlern durch Bund und Länder betrifft. Verdeckte Ermittlungen stellen, unabhängig davon, ob sie von Strafverfolgungsbehörden oder Verfassungsschutz durchgeführt werden, einen enormen Eingriff in die Rechte der Betroffenen dar. Gleichzeitig liefern sie Informationen, die keine
andere Ermittlungsmaßnahme zu liefern imstande ist.

Eine gesetzliche Grundlage für den Einsatz von V-Leuten und verdeckten Ermittlern sucht man für den Strafprozess jedoch vergeblich, die Regelungen für die Gefahrenabwehr und die Nachrichtendienste sind lückenhaft. Dieser Umstand ist in Anbetracht der Wesentlichkeitstheorie, die fordert, dass der Gesetzgeber alle wesentlichen Entscheidungen in grundlegenden normativen Bereichen, insbesondere der Grundrechtsausübung, selbst zu treffen hat und sie nicht allein Gerichten überlassen darf. Das Fehlen von klaren Rechtssätzen führt zu massiven Problemen: Die Grenze der Verhältnismäßigkeit kann nicht genau definiert werden. Das führt dazu, dass sie deutlich leichter fährlässig oder vorsätzlich überschritten wird oder verhältnismäßige Ermittlungsmaßnahmen aus Angst vor einem folgenden Gerichtsprozess nicht durchgeführt werden, um Ermittlungen nicht zu gefährden.

Aus diesen Gründen fordern wir:
Es ist für liberale Bürgerrechtspolitik unerlässlich, staatlichen Eingriffskompetenzen klare Grenzen zu setzen und so insbesondere den Rechtsschutz für Betroffene deutlich zu vereinfachen. Einsätze verdeckten Ermittlern und insbesondere V-Leuten sowie deren Anforderungen und möglicher Umfang müssen gesetzlich geregelt werden. Dies bedeutet im konkreten:
1. Eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation durch von ihm bei Ermittlungen genutzte Personen muss der Staat sich grundsätzlich zurechnen lassen. Der Staat darf nicht, auch nicht mittelbar, aus Ermittlungszwecken zu Straftaten anstiften, die sonst nie begangen worden wären. Bei einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation liegt bereits grundsätzlich kein faires Verfahren vor, sodass
dieses hinsichtlich der provozierten Tat einzustellen ist. Gleichzeitig ist hier zwischen V-Leuten und verdeckten Ermittlern zu trennen. Der V-Mann, der nicht Teil des Staatsapparates ist, darf nicht durch ein (vielleicht sogar vorsätzliches) Fehlverhalten ein unüberwindbares Verfahrenshindernis hervorrufen können. In diesem Fall muss es eine Entschuldigungsmöglichkeit geben, mit der statt einem Verfahrenshindernis nur ein Beweisverwertungsverbot aus der rechtsstaatswidrigen Tatprovokation folgt.

2. Eine rechtmäßige Tatprovokation ist an feste Anforderungen zu knüpfen: Es muss ein hinreichender Anfangsverdacht gegen die Zielperson bestehen, die Maßnahme darf nicht auf „gut Glück“ durchgeführt werden. Dieser Anfangsverdacht kann sich gegen Einzelpersonen oder Gruppen richten, sofern diese klar bestimmt oder bestimmbar ist und wenn davon auszugehen ist, dass Mitglieder der Gruppe gemeinschaftlich vorgehen. Besonders zu beachten ist hierbei die repressive Natur der Tatprovokation als Maßnahme der Strafverfolgung. Der Anfangsverdacht ist so festzulegen, dass nicht eine mögliche Tatgeneigtheit ausschlaggebend ist, sondern der Verdacht, dass die Zielperson eine entsprechende Tat bereits begangen hat und auch ohne staatliches Zutun wieder begehen würde. Bei der Tatprovokation darf nicht mit übermäßiger Beharrlichkeit gearbeitet oder Druck auf die Zielperson ausgeübt werden. Außerdem darf eine Tatprovokation nicht auf eine Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter gerichtet sein. In
rechtsstaatlich problematischen Fällen ist die Tatprovokation mit einem Richtervorbehalt zu versehen. So wird der Charakter der Tatprovokation als Ausnahmemaßnahme, die keine Straftaten hervorrufen, sondern verhindern soll, hervorgehoben.

3. Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung bei Einsätzen von V-Leuten in polizeirechtlichen und nachrichtendienstlichen Fällen ist gesetzlich zu regeln. So wird für Überprüfbarkeit hinsichtlich der Regelungen selbst und ihrer Anwendung und somit mehr Rechtssicherheit geschaffen. Mangels einer Möglichkeit, die mögliche Erhebung sensibler Daten
durch V-Leute durch entsprechende Kontrolle zu verhindern, ist der Fokus hierbei auf die Verwendung dieser Daten zu legen. Gleiches gilt für den Einsatz verdeckter Ermittler.

4. Im Rahmen des Strafprozesses sind rechtliche Grundlagen und tatsächliche Gegebenheiten für die Teilnahme der V-Person an der Hauptverhandlung zu schaffen, die den Schutz der V-Person zu gewährleisten imstande ist und dennoch die Möglichkeit bietet, auf die Zeugenaussage der VPerson als sachnächstes Beweismittel zurückzugreifen. Dabei sind insbesondere auf die sich im
Rahmen der Digitalisierung des Prozesswesens ergebenden Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. So kann der Schutz der V-Person trotz Teilnahme an der Hauptverhandlung z.B. durch eine anonymisierte digitale Zuschaltung, ggf. im Beisein eines Notars, erreicht werden.

5. Abhängigkeiten von und Gewöhnungseffekte an staatliche Leistungen müssen vermieden werden. Diese Gefahr besteht jedoch, wenn V-Leute über einen zu langen Zeitraum aktiv sind. Abhängigkeiten von diesen finanziellen Mitteln können dazu führen, dass Informationen verspätet oder über mehrere Treffen verteilt weitergeleitet werden und im schlimmsten Fall frei
erfunden werden, um die weitere Zusammenarbeit mit den Behörden zu sichern. Dem muss mit einer zeitlichen Obergrenze für die Zusammenarbeit begegnet werden, die nur in Ausnahmefällen überschritten werden darf. Darüber hinaus sollen Abhängigkeiten nach Möglichkeit bereits durch eine bedachte Auswahl der V-Leute vermieden werden.

Antragssteller: Kai Fackler, Stefan Edenharder, Leonie Vogler, Kerry Hoppe, Felix Meyer, Julian Dalberg, Paul Friedrich, Simon Ruck u.a.

Gültigkeit: 5 Jahre