„Unlocking“ Kultur

1. Koloniale Raubkunst

Ende November 2018 übergaben der senegalesische Ökonom Felwine Sarr und die französische Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy den von Präsident Macron beauftragten Bericht zur Restitution des afrikanischen Kulturerbes. Dieser Bericht- bezeichnend betitelt mit “Zurückgeben”- hat in ganz Europa die Debatte zum Umgang mit kolonialem Raubgut neu befeuert. Klar ist, dass es sich bei der Aufarbeitung der Kolonialgeschichte um eine europäische Familienangelegenheit handelt, deren Bewältigung einen Kernbereich liberaler Kulturpolitik bilden sollte: Alle ethnologischen Museen in Europa haben eine ähnliche Sammlungsgeschichte, ein Großteil der Sammlungen stammt aus dem kolonialen Kontext- ob in Paris, London oder Berlin.

Daher fordern wir:

  • Die Mittel des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste (DZK) für die Provenienzforschung im Hinblick auf Sammlungsgüter aus kolonialem Kontext signifikant zu erhöhen. Die erstmalige Förderung von Projekten zur Provenienz- und Grundlagenforschung mit 1,9 Millionen Euro durch das DZK im Jahr 2019 ist zu begrüßen, geht jedoch nicht weit genug: Denn nur wenn die Herkunft von Kunst- und Kulturgütern in deutschen Museen und Kultureinrichtungen umfassend erforscht wird, können auch Fragen der Restitution angegangen werden.
  • Eine umfassende Recherche-Pflicht schon beim Einkauf von Kulturgütern für öffentliche Einrichtungen und Museen. Für private Käufer soll hingegen nur ein verkehrsüblicher Sorgfaltsmaßstab beim Prüfen der Herkunft gelten.
  • Eine bindende rechtliche Grundlage zur Rückführung kolonialen Raubgutes gemeinsam mit allen EU-Mitgliedsstaaten zu schaffen. Bisher gibt es keine bindenden Rechtsgrundlagen für Ansprüche auf Restitution: Ansprüche aus völkerrechtlichem Gewohnheitsrecht werden gemeinhin abgelehnt, bei anderweitigem Völkerrecht fehlt es entweder am Beitritt Deutschlands (UNIDROIT-Konvention) oder der Erstreckung des Anwendungsbereichs auf koloniales Raubgut (UNESCO-Kulturgutübereinkommen, Washingtoner-Prinzipien). Bisherige nationale Gesetze wie das Kulturgüterrückgabegesetz (KultGüRückG) oder das Kulturgutschutzgesetz (KSGS) erfassen ebenfalls keine kolonialen Raubgüter.

In diesem Rahmen sollen dabei unter anderem folgende Rechtsfragen aufgegriffen werden:

  • Einheitliche Legalterminologie für den Begriff des “kolonialen Raubgutes” und des “nicht rechtmäßigen Erwerbs” von kolonialen Kunst- und Kulturgütern
  • Klärung des geistigen Eigentums bei digitalisierten kolonialen Raubgütern unter sorgfältiger Berücksichtigung der Interessen der Herkunftsstaaten. Dabei soll auch erörtert werden, ob die Kulturgüter in digitaler Form in den ursprünglichen Museen verbleiben können
  • Eine Auseinandersetzung auf nationaler sowie auf europäischer Ebene zu den Fragen der besonders schwer erträglichen Rechtslage der Vindikiationsverjährung sowie der Beweislast in Zusammenhang mit kolonialen Raubkulturgütern, um eine nachhaltige und gerechte Aufklärung und Rückgabe zu gewährleisten
  • Ablauf und Bedingungen der Restitution im Falle des nicht rechtmäßigen Erwerbs; besondere Berücksichtigung des Kulturgutschutzes: Restitution insbesondere nur in solche Staaten, die die Prinzipien des UNESCO-Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes anerkennen und die- analog zur Haager Konvention von 1954 zum Schutze von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten- nicht in andauernden Kriegs- und Konfliktregionen liegen. Als Orientierung sollen dabei die Prinzipien der Washingtoner Erklärung dienen, deren Objektiv eine Lösungsfindung auf Augenhöhe gemeinsam mit den potentiellen Anspruchsberechtigten ist.
  • Bundeseigene Museen zu verpflichten und an Museen in kommunaler Trägerschaft oder Landesträgerschaft zu appellieren, sich verstärkt mit der Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte zu befassen. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang den Vorschlag des Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Prof. Dr. Hermann Parzinger, im Humboldt Forum einen Raum der Stille zu schaffen, um den Opfern des deutschen Kolonialismus zu gedenken. Denkbar ist dabei ebenfalls eine bundesweite Wanderausstellung zur Aufklärung über koloniale Raubgüter.

2. Kulturgutschutz bei bewaffneten Konflikten

Die systematische Zerstörung von herausragenden Kulturdenkmälern durch Daesh und die Taliban, sowie die nach wie vor hohe Prävalenz von illegalem Handel mit geraubten Kunst- und Kulturgütern, zeigt uns die Defizite des bisherigen Kulturgutschutzes auf. Kulturgutschutz als politisches Handlungsfeld bedeutet jedoch weit mehr als die reine Bewahrung einzelner Artefakte:  Spätestens die Rolle des illegalen Kunsthandels zur Terrorfinanzierung sowie die Verknüpfung von Kulturgutzerstörung und Genoziden sollten uns bewusst machen, dass dieser Themenkomplex im Schnittbereich von Außen- und Sicherheitspolitik sowie dem Völkerrecht oszilliert.

Daher wollen wir:

  • Auf internationaler Ebene darauf hinzuwirken, die Haager Konvention auszuweiten. Derzeit sind nur 77 Staaten dem Zweiten Protokoll der Haager Konvention von 1999 beigetreten, Ziel muss ein weltweit völkerrechtlich gewährleisteter Kulturgutschutz sein.
  • Auf internationaler Ebene auf eine konsequente Umsetzung der Haager Konvention und eine Sanktionierung bei Verstößen hinzuwirken. Die systematische Zerstörung von Kulturgut in vergangenen Konflikten, bspw. durch Daesh, hat gezeigt, dass die Haager Konvention in solchen Fällen wirkungslos ist, in denen sich die Konfliktparteien nicht daranhalten und Kulturgüter zudem nicht vor den Kampfhandlungen in Sicherheit gebracht werden können. Um diesem Problem zu begegnen, muss einerseits für die Achtung solcher Übereinkommen geworben werden und andererseits müssen Missachtungen konsequent sanktioniert werden, wie es beispielsweise im Falle von Daesh mit der Resolution 2199 (2015) des UN- Sicherheitsrates erfolgte.
  • Strukturen zur Bekämpfung des illegalen Handels stärken. Durch das Kulturgutschutzgesetz (KGSG) von 2019 und die EU-Einfuhrverordnung von 2019 bestehen bereits detaillierte rechtliche Rahmenbedingungen- was fehlt sind die Kapazitäten zur Durchsetzung dieser Regelungen. Daher möchten wir Zoll und Polizei bei der effektiven Bekämpfung des illegalen Handels stärken. Darunter verstehen wir insbesondere theoretische und praktische Schulungen der entsprechenden Kräfte. Insbesondere der Handel über das Internet und die Organisierte Kriminalität muss dabei angegangen werden. Weiteres Handlungsfeld ist dabei die Stärkung und Aufklärung des Zolls an den EU-Außengrenzen, um das Phänomen des sog. Port-Shoppings, zu unterbinden.
  • Sensibilisierung in den Herkunftsländern stärken. Raubgrabungen und Plünderungen können am effektivsten direkt vor Ort in den Herkunftsländern verhindert werden. Wir begrüßen das Aufgreifen der Thematik im Rahmen der Beratungsmission der EU im Irak (EUAM Iraq) und fordern, diese Art der Sensibilisierung verstärkt auch ins Handlungsfeld der Entwicklungszusammenarbeit zu integrieren. Denkbar ist ebenfalls eine unterstützende Einbeziehung von Aufklärungsarbeit in Missionen wie EUTM MALI oder KFOR, in denen europäische bzw. NATO-Kräfte involviert sind. Dazu ist es auf nationaler Ebene notwendig, dass die Angehörigen der Bundeswehr in den Vorbereitungslehrgängen verstärkt ausgebildet und aufgeklärt werden.

Antragsteller: Landesvorstand


Gültigkeit: 5 Jahre